Das Jordanvirus bei Tomaten, Chili und Paprika

Im Nahen Osten entstand 2014 das Jordanvirus oder Tomato Brown Rugose Fruit Virus (ToBRFV). Es wurde 2018 erstmalig im europäischen Erwerbsanbau nachgewiesen. Mit viel Aufwand konnte es aus mehreren Betrieben in Deutschland entfernt werden.  Inzwischen fand man es in allen wichtigen Erzeugerländern, sowie in Proben aus den wichtigsten Lieferländern für Hybrid-Saatgut an die EU.

Das Jordanvirus ist verwandt mit den Tabak- und Tomatenmosaikviren (Tobamo-Gruppe). Es hat offenbar entsprechende Resistenzgene überwunden, die seit Jahrzehnten bei Erwerbssorten eingezüchtet werden und aus Wildtomatenarten stammen.

Was bewirkt das Jordanvirus?

Das Jordanvirus kann hohe wirtschaftliche Schäden verursachen. Wie bei den meisten Viren können Symptome unterschiedlich sein.

Früchte: Gelbe Flecken oder mangelnde Färbung; Junge Blätter: Hellgrüne Bereiche, blasige Wölbungen oder Verkümmern. Manche Bestände sind lange symptomfrei; manche welken und sterben innerhalb weniger Wochen ab. Die Unterschiede sind deutlich sortenspezifisch. Einzelne Fotos helfen nicht viel, hier gibt es eine Serie: www.landwirtschaftskammer.de/landwirtschaft/pflanzenschutz/gemuesebau/tobrfv.htm

Viren und ihre Wirte

Viren brauchen bestimmte andere Organismen, den Wirt, in dem sie sich vermehren. Außerhalb des Wirts können sie eine Zeitlang überleben, sich aber nicht vermehren. Wirte stecken sich untereinander an. Auch ohne Symptome können die Wirte ansteckend sein.

Während manche Viren, die sich in Tierarten vermehren, auch Menschen befallen können (z.B. Schweinegrippe), sind Viren, die sich in Pflanzen vermehren, für die menschliche Gesundheit praktisch kein Problem.

Sehr ansteckend – was bedeutet das?

Außerhalb der Wirtspflanze überlebt das Jordanvirus monatelang und bleibt ansteckend für andere Pflanzen. Es überlebt Alkohol, Essig und sogar längere Zeit über 90 o C. Das Virus wird über Samen, Pflanzensaft und Früchte sowie Wasser und Boden übertragen. Da es außerhalb der Pflanze lange überlebt, kann es auch über Werkzeug, Behälter, Hände, Haare, Kleidung, Wasser und Erde in die Pflanzen gelangen. Am höchsten ist die Ansteckung bei Verletzungen der Pflanze, z.B. beim Ausgeizen oder Pfropfen, oder durch geknickte Pflanzenhaare. Auch die systematische Verletzung der Blüten bei der Hybridisierung ist ein Ansteckungsrisiko. Aus einigen der betreffenden Billiglohnländern gibt es noch keine Berichte.

Insekten sind keine Wirte, aber sie können das Virus mechanisch bei der Bestäubung oder durch kleine Schäden an der Pflanze übertragen.

Dem Erwerbsgartenbau wird sorgfältigste Reinigung sämtlicher Oberflächen -bis hin zu Computer-tastaturen- und anschließende Desinfektion mit Benzoesäure-haltigen Mitteln empfohlen. Hinzu-kommen vorbeugende Biosicherheitsmaßnahmen wie Vorschriften für den Zutritt zu Gewächshäusern und Verzehrsverbot von externen Früchten im Betrieb.

Kultivierte und wilde Wirtspflanzen

Unter den Solanaceen werden Tomaten, Chili und Paprika befallen, auch der wild verbreitete Schwarze Nachtschatten, aber nicht Kartoffeln und Auberginen. Bei Blockpaprika verhindert das L-Resistenzgen den Befall. Wirtspflanzen sind auch Amaranthaceen inkl. Gänsefußgewächse, ebenso Tabak und verwandte Zierpflanzen sowie Petunien, zumindest in Versuchen. In Europa wurde das Jordanvirus bisher nicht bei Wild- und Zierpflanzen gefunden.

Auf Jordanvirus testen

Zunächst erfolgt ein ELISA-Test auf Tobamo-Viren. Bei positivem Ergebnis wird ein RT-PC-Test mit anschließender Sequenzierung durchgeführt. Es werden 3000 Korn für einen Test gebraucht. Bei positivem Ergebnis (Viruspräsenz) trägt nach informellen Erkenntnissen der Pflanzenschutzdienst die Kosten.

Vorschriften des Pflanzengesundheitsrechts

Die EU will Einschleppung und Ausbreitung des Jordanvirus als meldepflichtiger „Quarantäneschädling“ mit der speziellen Verordnung 2020/1191 verhindern. Saat- und Pflanzgut von Tomate, Chili und Paprika darf nur abgeben, wer sich bei Pflanzenschutzdienst als Unternehmer registriert und für jede Partie einen Pflanzenpass ausstellt. Mutterpflanzen oder Saatgut müssen dabei negativ getestet sein. Die Flächen für die Jungpflanzen müssen amtlich inspiziert und befallsfrei sein. Jede/r Bürger/in muss das Virus melden.

Die Saatgutindustrie hat bereits Resistenzgene angekündigt, mit denen Pflanzen zwar angesteckt sein können, aber ohne Symptome bleiben, sogenannte intermediäre Resistenzgene. Die wirtschaftliche Nutzung dieser Resistenzgene wäre beim Status des Jordanvirus als Quarantäneschädling nicht möglich.

In der EU wird aktuell diskutiert, das Jordanvirus nicht mehr als Quarantäneschädling, sondern als Regulierten Nicht-Quarantäneschädling (engl.: RNQP) einzustufen. Virustests wären dann beim Verkauf von Saat- oder Pflanzgut nicht mehr nötig. Das Virus würde sich schneller verbreiten. 

Was kann bei der Erhaltung von Vielfaltssorten getan werden?

Umfangreiche Empfehlungen richten sich an den Erwerbsanbau (siehe Pflanzenschutzdienste, zB LWKNRW); für Erhalter*innen treffen viele davon eher nicht zu.

Saatgut, Jungpflanzen und Früchte: Über das Saatgut aus der globalen Saatgutproduktion, ist das Virus seit einigen Jahren nach Europa gelangt. Wer solches Saatgut, vor allem Hybride, von Tomaten, Chili oder Paprika in seinem Garten seit 2018 verwendet hat, sollte versuchen festzustellen, ob es getestet war. Erst seit 2019 besteht eine Testpflicht. Das Risiko scheint geringer bei getestetem Saatgut, bei älterem Saatgut und bei Saatgut aus Gärten, die länger nicht in Kontakt mit den globalen Lieferketten von Pflanzenmaterial der betroffenen Arten waren. Das Virus wurde in den größten Tomatenerzeugerländern in der EU gefunden (siehe EPPO), auch in Deutschland (siehe JKI). Trotzdem war ein Verkauf der Früchte nicht überall ausgeschlossen. Früchte aus Befallsländern sollten vorsichtshalber nicht in den eigenen Garten oder Haushalt gelangen.

Entsorgung: Verdächtiges Pflanzenmaterial wird im Restmüll entsorgt, keinesfalls im eigenen Kompost. Die industriellen Kompostanlagen vernichten zwar Tobamo-Viren, allerdings stehen spezielle Daten zum Jordanvirus noch aus.

Desinfektion: Zum wirksamen Desinfizieren mit Benzoesäure ist derzeit in Deutschland nur ein Mittel erhältlich: Menno Florades. Damit sollten benutzte Werkzeuge und Behälter nach gründlicher Reinigung desinfiziert werden. Ein ausreichendes Desinfizieren der Hände ist nicht möglich. Daher sollten Einmal-Handschuhe getragen werden. Man kann sie nach der Arbeit noch auf den Händen gut waschen, desinfizieren und wiederverwenden. Es wird bei den Arbeitsschritten nach jeder Sorte Desinfektion empfohlen, schon bei der Aussaat.

Weitergabe von Saatgut und Jungpflanzen: Die Registrierpflicht gilt für jede*n, der Tomaten, Chili und Paprika als sog. „Unternehmer“ über Webshops verkauft. Im Januar 2022 wurde deswegen ein Vielfaltswebshop in Polen geschlossen. An geeigneten Lösungen auf EU-Ebene wird gearbeitet. Das Risiko von Vielfalts-Webshops bei der Verbreitung von Schaderregern wird neu bewertet und sollte dabei gegen das Risiko des Vielfaltsverlustes abgewogen werden.

Schon die Meldepflicht an sich wirkt abschreckend. Die Verpflichtungen daraus können außerdem Kosten und Verwaltungsaufwand bedeuten. Selbst eine Kostenerstattung wäre Verwaltungsarbeit. Die Saatgutpartien sind klein, der Aufwand hoch, das Vielfaltssaatgut könnte dann erheblich teurer werden.

Die Testpflicht bei Quarantäneschädlingen hätte weitere Folgen: 3000 Korn für einen Test würden einige Herkünfte zum Verschwinden bringen. Ein Pooltest würde kaum helfen, denn es bleibt oft für den nächsten Schritt, egal ob das Virus gefunden wird (Einzeltest) oder nicht (weitere Erhaltungsarbeit), wenig Saatgut übrig.

Für die on farm-Erhaltung der Vielfalt ist nicht nur die Vermehrung, sondern auch die Weitergabe von Saatgut und Jungpflanzen unverzichtbar. Dies ist in mehreren Verträgen der Vereinten Nationen anerkannt und vereinbart. Die Tomate spielt eine tragende Rolle in der Erhaltung der Kulturpflanzenvielfalt durch Vereine und in privaten Gärten; Andere, weniger bekannte Arten laufen bei Vermehrung und Weitergabe mit und sind daher zwar indirekt, aber ebenfalls betroffen. Die pflanzengesundheitsrechtlichen Vorschriften stellen eine hohe Hürde dar, die die weitere on farm-Erhaltung infrage stellt. Daher sind Ausnahmen der Vielfaltserhalter*innen von der Meldepflicht erforderlich.

Quellen:
European and Mediterranean Plant Protection Organization (EPPO) , https://gd.eppo.int/taxon/TOBRFV
H. Scholz-Döbelin, Pflanzenschutzdienst Nordrhein-Westfalen
 
Text: Dr. Susanne Gura
 
Stand: Februar 2022