Die Steckrübe - Gemüse der Jahre 2017/18
Zeichnung links: Die Steckrübe, ein traditionsreiches Gemüse mit Zukunft. Zu sehen ist die Sorte 'Green Top Swede'. Quelle: MM. Vilmorin-Andrieux (1885) "The Vegetable Garden".
Die Steckrübe oder Kohlrübe (Brassica napus ssp. napobrassica L.) ist vom VEN als Gemüse des Jahres für die Jahre 2017/2018 auserkoren worden. Wir möchten die Menschen dazu ermuntern, sich in den kommenden zwei Jahren vermehrt der Steckrübe anzunehmen, in Garten und Küche zu experimentieren und das Wissen über dieses klassische Gemüse in die Welt zu tragen. Die Steckrübe ist ein Gemüse mit Tradition, aber auch mit Zukunft. Als Anregung hat die AG Gemüse des Jahres (Alexander Artmann, Elvira Stoltmann, Johannes Timaeus) des VEN einen großen Fundus an Informationen u.a. zur Züchtungsgeschichte, Sortenvielfalt, Kultivierung im Garten und Saatgutvermehrung in dem nachfolgenden Artikel zusammengetragen. Dieser Artikel kann kostenlos als Faltblatt bestellt werden und ist auch als PDF verfügbar. Eveline Renell hat die Lieblings-Rezepte einiger VEN-Mitglieder in einer schönen Rezeptsammlung und Steckrübengeschichten zusammengestellt. Über unsere Saatgutliste kann man derzeit 10 verschiedene Steckrübensorten bestellen. Über die Suchfunktion kann man sich mit dem Stichwort "Steckrübe" alle Sorten auflisten lassen.
Die Steckrübe - Gemüse des Jahres 2017/2018
Die Steckrübe, Kohlrübe, Wrucke oder Wruke ist ein traditionelles Gemüse insbesondere des nördlichen Europas, wo sie auch in kühlem Klima gut gedeiht und mit ihrem mitunter zarten, süßlichen Aroma und guter Lagerfähigkeit vielfältig verwendbar ist. Nicht von ungefähr wird sie auch als Ananas des Nordens bezeichnet. Zugleich hat sie aber aufgrund der Erinnerungen an eine Geschichte verheerender Katastrophen bis heute einen schlechten Ruf. Als „Steckrübenwinter“ ist insbesondere der Jahreswechsel 1916/17 während des ersten Weltkriegs in die Geschichte eingegangen. Nach einer massiven Missernte von Kartoffeln und unter der Seeblockade durch die Westmächte wurden – nachdem die Schweine selbst bereits geschlachtet waren – die eigentlich als Viehfutter angebauten Kohlrüben an die hungernde Bevölkerung verteilt. Auch im Hungerwinter 1946/47 wurde wieder auf Steckrübenrationen zurückgegriffen.
Erst seit wenigen Jahren gewinnt die Steckrübe wieder an kulinarischer Bedeutung. Da ihr Anbau unkompliziert ist und sie weder Agrarchemie noch lange Transporte aus wärmeren Regionen benötigt, ist sie ein modernes, klimaschonendes Nahrungsmittel.
Botanik, Züchtungsgeschichte, Kulturformen
Die Steckrübe ist eine Unterart oder Varietät der Art Raps (Brassica napus L.). Das bedeutet, dass Steckrüben botanisch gesehen eigentlich Rapssorten sind, die Rüben ausbilden. Aufgrund von Chromosomenanalysen weiss man, dass Raps als Kreuzung aus den Arten Kohl (Brassica oleracea L.) und Rübsen, bzw. Stoppel- oder Mairüben (Brassica rapa L.) entstanden ist. Da sich Brassica napus im Prinzip nicht mehr mit den Elternarten kreuzt, handelt es sich um eine neue biologische Art. Diese ist bemerkenswerterweise nicht durch natürliche Evolution, sondern in der Kultivierung durch den Menschen entstanden.
Die klassische Kreuzungszüchtung hat also ganz ohne Gentechnik vollkommen neue Kulturpflanzen erzeugt - ein Beispiel für die hohe Kultur der Pflanzenzüchtung schon vor 300 Jahren und ihr großes Potenzial. Im Laufe der Zeit wurden innerhalb der biologischen Art des Rapses sehr verschiedene Kultursorten mit unterschiedlichsten Eigenschaften und Nutzungsformen herausgezüchtet. Dazu gehören der Ölraps zur Speiseölgewinnung, der Schnittkohl als Blattgemüse und eben auch die Steckrübe als Viehfutter und Lagergemüse für das Winterhalbjahr.
Ölraps
In größerem Maßstab wurde der Ölraps (Brassica napus ssp. napus) seit dem 16. und vor allem im 17. Jahrhundert zunächst in Holland und später auch in Deutschland angebaut, allerdings vorrangig als technisches und Leuchtöl sowie als Rohstoff für die Seifenherstellung. Als Speiseöl konnte Rapsöl aufgrund des hohen Anteils an Erucasäure nicht mit den damals in Mitteleuropa vorherrschenden Ölfrüchten Lein und Schlafmohn mithalten. Erst in den 1970er Jahren verfügte man über erucasäurefreie sog. Nullsorten, die als Basis für hochwertige Speiseöle dienen. In den 1980er Jahren wurde zusätzlich der Gehalt an Senfölen minimiert, so dass nun die Pressrückstände als wertvolles Tierfutter verwendet werden können (Doppelnullsorten). Dies war einer der letzten spektakulären Erfolge der klassischen Pflanzenzüchtung vor Einführung der Gentechnik. Allerdings hatte die jahrzehntelange extreme Auslese zu einer starken genetischen Verarmung des Rapses geführt. Als eine Methode, hier wieder eine größere Variabilität zu erreichen, wird auf die künstliche Resynthese aus den Elternarten Kohl und Rübsen gesetzt. Heute ist Raps eine der wichtigsten Ölfrüchte weltweit und ein Beispiel für die Verheißungen und Risiken moderner biotechnologischer Verfahren bis hin zur Gentechnik.
Schnittkohl / Kohlraps
Der Schnittkohl oder Kohlraps (B. napus ssp. pabularia (DC.) Janchen) diente traditionell als leicht zu kultivierendes Blattgemüse im Spätherbst und zeitigen Frühjahr. Geerntet werden die Blattrosetten vor dem Aufstängeln zur Blüte. Es gibt aber auch Sorten, die ähnlich dem Grünkohl über den Winter stehen können. Heute ist der Schnittkohl nahezu vollständig in Vergessenheit geraten. Zu den wenigen in den letzten Jahren wiederentdeckten Sorten gehören 'Russischer Roter' und 'Bremer Scheerkohl'.
Seit den 1950er Jahren wird an der Neusynthese weiterer Gemüse-Raps-Formen aus den Elternarten gearbeitet. Die z. B. brokkoliähnlichen oder kopfbildenden Resynthese-Rapse sind bisher vor allem in Asien bekannt.
Steckrübe / Kohlrübe
Die Steckrübe oder Kohlrübe (B. napus ssp. napobrassica (L.) Hanelt, syn.: B. napus var. rapifera Metzg.) wird vorrangig wegen ihrer großen und gut lagerfähigen Rüben angebaut. Botanisch gesehen handelt es sich bei der Steckrübe um eine Sprossrübe, da sie sowohl die Sprossachse (Stängel) als auch die Wurzel und das dazwischen liegende Hypocotyl umfasst.
Die ältesten Nachweise der Steckrübe stammen aus dem 17. Jahrhundert und verweisen auf Skandinavien als Ursprungsregion. Daher auch die im Englischen bis heute übliche Bezeichnung „swede“. Ob die Steckrübe aus älteren Rapsformen gezüchtet worden ist oder auf eine unabhängige Kreuzung von Kohl mit Stoppelrüben zurückgeht, bleibt dabei bislang ungeklärt.
Unterscheiden lässt sich die Steckrübe von der eng verwandten Stoppel- oder Mairübe anhand ihres bläulich bereiften Laubes, der oberen, den Spross nur halb umfassenden Blätter und des gestreckten Blütenstandes, bei dem die geöffneten Blüten über den Knospen stehen. Bei Rübsen und Stoppelrübe (B. rapa) hingegen sind die Rosettenblätter glänzend grün, die oberen Blätter umfassen den Spross ganz und der Blütenstand wirkt etwas gestaucht, da die geöffneten Blüten unter den Knospen stehen.
Die ebenfalls auf den ersten Blick ähnliche Runkelrübe gehört in eine ganz andere Pflanzenfamilie und ist mit der Roten Bete und der Zuckerrübe verwandt.
Zeichnung links: Die Steckrübensorte 'Yellow Purple-Top Swede'. Quelle: MM. Vilmorin-Andrieux (1885) "The Vegetable Garden".
Sortenkunde
Traditionell dienen bei uns die weißfleischigen Steckrübensorten als Winterfutter für das Vieh und die gelbfleischigen Sorten der Gemüsenutzung. Obwohl letztere im Geschmack meist milder sind, gibt es auch weißfleischige Sorten mit sehr gutem Aroma. Die gelbe Färbung ist durch Carotinoide bedingt. Neben Unterschieden im Aroma und der Farbe des Fruchtfleisches gibt es auch unterschiedliche Färbungen der Außenhaut (gelblich, grün, violett) und eine gewisse Formenvielfalt.
Obwohl die Steckrübe in Deutschland traditionell ein weit verbreitetes Gemüse gewesen ist, sind heute etwa 90 % der Sorten aus den 1920-1950er Jahren leider verschollen. Hierzu gehören z. B. alte Formen mit sehr ausgeprägtem Hals, wie die 'Pommersche Kannenwrucke' oder als sehr aromatisch beschriebene Sorten, wie die flachrunde 'Gelbe Apfel'. In den skandinavischen und den englischsprachigen Ländern sowie in Osteuropa hingegen gibt es glücklicherweise noch eine erhebliche Sortenvielfalt zu entdecken.
Einige der bei uns bekannteren Steckrübensorten sind 'Wilhelmsburger', 'Hoffmanns Gelbe' und 'Niko'. 'Wilhelmsburger' stammt von 1897 und ist noch heute die bei uns am weitesten verbreitete Sorte für den Privatanbau. Sie ist orangegelb im Inneren, mit grünem Kopf, recht widerstandsfähig gegen Mehltau und hat einen intensiven Geschmack. Ebenfalls eine alte gelbfruchtige Sorte ist 'Hoffmanns Gelbe'. 'Niko' dagegen ist weißfleischig mit grünem Kragen und feinem Aroma. Neben samenfesten Sorten gibt es mittlerweile auch Hybridzüchtungen, die sich mit ihren gewünschten Eigenschaften allerdings nicht weitervermehren lassen.
Kultivierung im Garten
Die Steckrübe gedeiht besonders gut auf humushaltigen und lehmigen Böden. Auf leichten Böden muss besonders auf ausreichende Feuchtigkeit und Düngung geachtet werden. Feuchtkühles Klima fördert einen gesunden Wuchs. Die Aussaat erfolgt von Mitte Mai bis Mitte Juni direkt ins Beet. Auf 30-40 x 40 cm werden jeweils 4-5 Samenkörner gemeinsam ausgesät. Es wird dann jeweils nur das kräftigste Pflänzchen stehen gelassen. Steckrüben lassen sich auch als Nachfrucht nach Frühkartoffeln oder Bohnen kultivieren. Sofern die Vorfrucht länger steht oder bei knappem Saatgut ist auch eine Voranzucht problemlos möglich.
Die Haupternte ist im Oktober. Die Rübe übersteht mäßigen Frost, ist aber nicht voll winterhart und sollte spätestens vor Weihnachten geerntet werden. Da sie gut lagerfähig ist, ist sie bis April für die kulinarische Verwendung verfügbar und ein hervorragendes Wintergemüse. Bei frühem Kulturbeginn (März/ April) hingegen können die Rüben bereits im Sommer geerntet werden. Bis zum Winter sind sie dann aber oft zu groß, nicht mehr so zart und auch weniger lagerfähig. Durch Anbau an wechselnden Stellen im Garten (Fruchtwechsel) kann einem Kohlherniebefall vorgebeugt werden. Für die Balkonkultur sind Steckrüben aufgrund ihrer Hitzeempfindlichkeit und des Platzbedarfs weniger geeignet.
Samengärtnerei
Da die Steckrübe erst im zweiten Kulturjahr in Blüte geht, ist die Saatgutgewinnung im Gegensatz zu einjährigen Arten wie Chilis, Bohnen oder Tomaten relativ aufwändig. Für die Überwinterung müssen die Rüben vorsichtig geerntet werden, damit sie und die Herzblätter nicht beschädigt werden. Dann werden sie entweder lose eingeschlagen, z. B. in nicht zu feuchten Sand, Sägespäne oder Torfmull und bei Temperaturen knapp über 0 °C und hoher Luftfeuchtigkeit eingelagert, oder getopft und auch möglichst kühl, aber etwas heller gestellt. Nach einer gewissen Abhärtungsphase können die überwinterten Rüben dann im zeitigen Frühjahr ausgepflanzt werden. In wintermilden Lagen lassen sich Steckrüben auch im Freiland überwintern. Gut angehäufelt und abgedeckt sind die empfindlichen Wurzeln ausreichend geschützt, um kurzzeitig Tiefsttemperaturen bis etwa -8 °C und mit Glück auch noch etwas tiefer zu überstehen.
Zeichnung links: Die Sorte 'White Swedish', Quelle: MM. Vilmorin-Andrieux (1885) „The Vegetable Garden".
Da Steckrüben Fremdbefruchter sind, sollten für langfristig gesundes Saatgut etwa 10 bis 15 ausgewählte Rüben gemeinsam abblühen. Dabei muss zugleich darauf geachtet werden, dass es nicht zur Einkreuzung anderer Sorten, insbesondere auch von Raps kommt. Hier sollten vorsichtshalber Abstände von etwa 200 m eingehalten werden. Zeitgleich blühende Rapsäcker sollten besser 500 m, in Hauptwindrichtung oder bei Ortsrandlage noch deutlich größeren Abstand haben.
Steckrüben-Kulinarik
Die Steckrübe lässt sich in vielfältiger Weise in der Küche verwenden. Neben den klassischen deftigen Suppen, Eintöpfen und Aufläufen kann man sie z. B. ähnlich wie Kartoffeln allein oder in Kombination mit anderem Gemüse zu einem Püree verarbeiten. Eine andere Variante ist Steckrüben-Reibekuchen. Dafür werden die Steckrüben in feine Streifen geraspelt und diese dann in der Pfanne zubereitet. Auch als Rohkostsalat sind fein geraffelte Steckrüben gut geeignet. Gerade hier werden geschmackliche Unterschiede deutlich, welche im übrigen nicht nur von der Sorte, sondern auch vom Boden und weiteren Anbaubedingungen abhängen. So führt stärkere Düngung generell zwar zu größeren Rüben, ist aber dem Aroma zugleich eher abträglich. Auch Frosteinwirkung kann zu einem intensiveren und oft weniger süßen Aroma führen. In der Gemüsesuppe kann man das etwas strenge Aroma mancher Sorten reduzieren, wenn man die Steckrübe erst spät hinzufügt. Die Stückchen sind dann noch etwas bissfest, aber vom Aroma her milder. Eveline Renell hat die Lieblings-Rezepte einiger VEN-Mitglieder in einer schönen Rezeptsammlung zusammengestellt.
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